Achtsamkeit als Desiderat der praktischen Philosophie

Abstract

Ziel des Beitrags ist es, die Achtsamkeit des Lesers darauf zu richten, dass Achtsamkeit weniger in dem Kontext der mindfulness-based-stress-reduction (MBSR) zu sehen ist, sondern als Anstoß zur Entwicklung einer aufmerksamen Praxis zu werten ist. Ziel ist es, in der Tradition die Hinterfragung der Welt des Scheins, wie im platonischen Höhlengleichnis ausgedrückt, und dem Glauben an die problemlose Machbarkeit in der phänomenologischen Tradition, die Dekonstruktion dessen, was in der Nachfolge Baudrillards als Simulacra bezeichnet werden, zu betreiben. Das Eindringen der Hyperrealität in unseren Alltag hat eine Ontoschismogenese zur Folge, wodurch wir gleichzeitig zwei Ontologien oder Lebenswelten bewohnen. Zudem ist das hyperreale System als zweite Lebenswelt anderen Regeln unterworfen und einer größeren Dynamik ausgesetzt. Sie tendiert daher dazu, sich ausschließlich in der Jetztzeit zu ereignen. Achtsame Praxis hingegen besteht in der Wiederaneignung der techné von der Technologie und setzt die Dekonstruktion der unsere Umwelt bevölkernden Simulacra und deren Reifikation voraus. Aus der achtsamen Wahrnehmung schwacher Signale, die auf emergente Eigenschaften verweisen, können wir das jeweilig verfügbare Handlungspotenzial in bestimmten Situationen determinieren, da sich in dynamischen Systemen die individuellen Handlungspotenziale erweitern. Abschließend werden Wege zur Einübung achtsamer Praxis aufgewiesen.